Frankfurt Ostend: Stadtteilentwicklung und Gentrification
Digitale Stadtexkursion
Willkommen
Willkommen zur digitalen Exkursion im Frankfurter Ostend!
In dieser Storymap und der dazugehörigen Führung könnt Ihr den Wandel des Ostends mit eigenen Augen nachverfolgen. An insgesamt acht Standorten werden exemplarisch neuere und historische Entwicklungen des Stadtteils Ostend illustriert. Die Storymap bietet hierbei die Möglichkeit, mithilfe einer digitalen Karte die Standorte zu erkennen und sie damit in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen zu können. Außerdem findet ihr hier zusätzliche Fotos und kurze Texte, die die Inhalte ergänzen.
Storymaps sind internetbasierte interaktive Kartenanwendungen die verschiedene Medien miteinander kombinieren und dadurch einen geographischen Bezug zu ihnen herstellen können. Einige zusätzliche Informationen erhaltet ihr durch Klicken der Layer (Flächen, Linien und Punkte), die auf die Karte gelegt worden sind.
Diese digtale Exkursion wurde 2021 von Isabelle Muschaweck mit Unterstützung von Andrea Mösgen und Sebastian Schipper entwickelt und von Marie Oberndorfer als Storymap umgesetzt. Sie dient der Vor- und Nachbereitung von Exkursionen vor Ort, die in der Regel mit Oberstufenkursen durchgeführt werden. Die Storymap kann aber auch genutzt werden, um das Ostend auf eigene Faust vor Ort oder einfach nur virtuell zu erkunden.
Standorte
- Anlagenring
- Ecke Uhlandstraße - Ostendstraße / Martin-Elsässer-Weg
- Mainufer
- Europäische Zentralbank (EZB)
- Paul-Ansberg-Platz / Gentrification I
- Honsell-Dreieck / Gentrification II
- Ferdinand-Happ-Straße
- Ostbahnhof und Danziger Platz
Standort 1 - Anlagenring
Wir befinden uns hier direkt außerhalb des Anlagenrings der Stadt Frankfurt. Der Anlagenring ist ein ehemaliger Schutzwall, der in der frühen Neuzeit um die Stadt errichtet wurde (Baubeginn 1628). Heute ist die Fläche begrünt und mit einem weitgehenden Bebauungsverbot versehen. Das bedeutet, dass sich der Grünstreifen auf etwa 5 km "halbring“-förmig fast um die gesamte Innenstadt legt.
Frankfurt a.M. 1645; Gezackter Wall
19. Jahrhundert I
Das Ostend ist keine eigenständig gegründete Stadt, sondern entstand Mitte des 19. Jahrhunderts als Arbeitsviertel. Durch den gesteigerten Zuzug von Menschen in die Städte, in diesem Fall nach Frankfurt und in das Ostend, entwickelte das Ostend einen städtischen Charakter. Dazu trug auch der frühere Ausbau der Hanauer Landstraße im mittleren 18. Jahrhundert bei.
1820 wird die Stadtbibliothek im Ostend erbaut, 1847 erhält das Ostend einen eigenen Bahnhof, den Hanauer Bahnhof, der heute „Ostbahnhof“ heißt. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden außerdem Schulen, Krankenhäuser und eine Landwirtschaftshalle im Ostend errichtet. Zudem zog der Zoo ins Ostend.
Zoo Gesellschaftshaus 1878
Ab 1860 wurden Mietshäuser errichtet, die bezahlten Wohnraum bieten.
Der jüdische Anteil der Bevölkerung des Ostends prägte zu dieser Zeit auch das Leben im Ostend: Eine Synagoge, ein jüdisches Krankenhaus und ein jüdisches Waisenhaus wurden zu dieser Zeit errichtet.
19. Jahrhunder - II
Auf der Karte von 1895 sind der Ostbahnhof und seine Umgebung abgebildet.
Vergleiche diese Karte mit dem aktuellen Sattelitenbild.
Ostbahnhof 1895
20. Jahrhundert
Bereits im 19. Jahrhundert hatte sich Industrie im Ostend angesiedelt; diese Entwicklung setzte sich im frühen 20. Jahrhundert fort. Außerdem wurde mit Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals eine konsequente Stadtplanung betrieben, die die Entwicklung der Stadt planen und steuern sollte. 1912 wurde der Osthafen eingeweiht. Neue Quartiere und Mietshäuser wurden gebaut, um Wohnraum für die Arbeiter*innen des Osthafens zu schaffen. Durch die zahlreichen Industriebetriebe, sowie den Osthafen und die Großmarkthalle (ab 1928) waren die Bewohner*innen des Ostends Industrieemissionen und Lärmbelästigung ausgesetzt.
Großmarkthalle 2002
Standort 2 - Ecke Uhlandstraße-Ostendstraße / Martin-Elsässer-Weg
Wir befinden uns hier im Kerngebiet der Sanierung des Ostends. Ursprünglich befand sich hier die Landwirtschaftshalle, die nach ihrem Brand 1924 nicht mehr aufgebaut wurde. Wesentlich später, 1999, entstand hier der Wohnhof Ostend, der um einen begrünten Innenhof angeordnet ist. Nach dem Einzug einer Bankakademie 2001 wurde das Gebäude 2005 zum Bildungszentrum.
Zum Bildungszentrum gehört das Abendgymnasium Frankfurt, die Bethmannschule (berufsbegleitende Schule; überwiegend Bank- und Industriekaufleute), ein Standort der Frankfurt VHS und die Erasmus Frankfurter Stadtschule (trilunguale Grundschule und Gymnasium).
"Einfache Stadterneuerung" 1985-1994
Mietspiegelkarte 2014 nach Mösgen & Schipper (2016)
Zwischen 1985 und 1994 stellte die Stadt im Rahmen des Projekts „Einfache Stadterneuerung“ finanzielle Mittel bereit, die Wohnungs- und Hauseigentümer*innen nutzen konnten, um Sanierungen an ihren Gebäuden vorzunehmen. Außerdem wurden die Zuschüsse dazu verwendet, Gewerbebetriebe zu verlagern und die Verkehrssituation zu verbessern.
Das Besondere an diesen städtischen Maßnahmen war ihr Ziel: die Versorgung des UNTEREN Wohnungsmarktes. Einkommensschwächere Haushalte sollen demnach nicht verdrängt werden, sondern weiterhin Zugang zu, nun verbessertem, Wohnen im Ostend behalten. Dies beinhaltet auch die Kopplung der Zuschüsse an folgende Vorhaben:
- „Modernisierung mit einfacher Standards“ (Stadt Frankfurt 1994:8)
- Eine 12-jährige Mietspreisbindung von 6 DM/m² bis höchstens 9,50 DM/m². Dies diente dazu, die Umlage der Renovierungskosten auf die Mieter zu verhindern (Mösgen und Schipper:134).
- Das Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (Stadt Frankfurt 2015:20).
- Bebauung brachliegender Flächen mit Gebäuden des sozialen Wohnungsbaus (Stadt Frankfurt 1994: 8)
Nicht die gesamte Menge der Fördermittel wurde ausgeschöpft; allerdings wurden die beantragten Mittel erfolgreich für Modernisierung und den Neubau von Sozialwohnungen eingesetzt (Mösgen und Schipper: 135).
Sanierung südliches Ostend 1987-2015
Im Gegensatz zu den früheren, „sozial- verträglichen“ Maßnahmen, änderte sich die Herangehensweise der Stadt mit dem neuen Jahrtausend essentiell. Es wurde eine neue „städtebauliche Sanierungsmaßnahme“ (siehe Mietspiegelkarte 2014: Sanierungsgebiet Ostendstraße 1987-2015) forciert, welche allerding von Maßnahmen begleitet wird, die die Verdrängung der vorhandenen Bevölkerung zur Folge haben.
Im Zuge dieser Sanierungsmaßnahmen kaufte die Stadt große Flächen im Ostend auf und versteigerte sie an private Investoren. Dies führte zum Bau neuer Wohneinheiten, die sich durch ihre Hochpreisigkeit auszeichneten. Die Zahl der Eigentumswohnungen nimmt außerdem zu. Hinzu kommt, dass seit der Jahrtausendwende verstärkt Kultur- und Bildungseinrichtungen im Ostend angesiedelt wurden (siehe Karte in der Hautanzeige).
Gebiet: einfache Stadterneuerung (Mösgen & Schipper 2016)
Standort 3 - Mainufer
Die Weseler Werft
Vor uns liegt das neugestaltete Mainufer mit der Weseler Werft. Die vormals industrielle Nutzung ist kaum mehr sichtbar; stattdessen trägt das weitgehend begrünte und für die Freizeitnutzung gestaltete Mainufer zum Image des Stadtteils bei. Außerdem dient die Weseler Werft als Überflutungsfläche.
Bereits vor Baubeginn des Osthafens, 1908, war die Fläche von Flößern mit Holz aus dem Spessart angefahren worden. Mit Beginn der Industrialisierung fanden sich hier außerdem ein Sägewerk und die Gasfabrik. Um die angeschifften Güter umzuladen, wurden verschiedene Kräne und Hebeeinrichtungen installiert. Einige davon sind heute noch erhalten.
Alte Weseler Werft_1 (Institut für Stadtgeschichte, Kurt Weiner)
Alte Weseler Werft_2 (Institut für Stadtgeschichte, Kurt Weiner)
Wohnen am Fluss
In denen dem Fluss zugewandten Gebäuden befinden sich vor allem gehobene Eigentumswohnungen. Das Wohnen hier gilt deshalb als attraktiv, weil gleichzeitig Innenstadtnähe, gute Erreichbarkeit und Grünanalgen aufeinander treffen.
Gebiet - einfache Stadterneuerung (Mösgen & Schipper 2016)
Der Hafenpark
2011 wurde mit dem Bau des Hafenparks begonnen. Er ist Teil des „Green City“ Planes der Stadt Frankfurt. Neben einer großen Skateranlage gibt es im Hafenpark Sportgeräte, bzw. Sportanlagen für Besucher jeglichen Alters.
Für die Zukunft ist eine grüne Verbindung zwischen Ost- und Hafenpark geplant, auf der Bewohner*innen bzw. Besucher*innen möglichst ungestört vom Lärm der Stadt spazieren können. Damit wird auch die Schließung des Grüngürtels um Frankfurt vorangetrieben, dessen einzige noch vorhandene Lücke sich im Moment im Osten Frankfurts befindet.
Standort 4 - Eurpoäische Zentralbank
1999 wurde entschieden, dass die Europäische Zentralbank, kurz EZB, nach Frankfurz zieht. Einen bestimmten Bauplatz gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.
Mittlerweile gibt es ca. 250 Banken in Frankfurt und etwa 10% aller Beschäftigten arbeiten im Finanzwesen.
Die EZB, kaufte ihr heutiges Areal im Ostend 2002 und begann mit dem Bau 2010. 2014 wurde das Gebäude fertiggestellt und bezogen. Die offizielle Einweihung ein Jahr darauf führte zu Protesten der Blockupy Bewegung, die sich gegen zunehmende soziale Ungleichheit richten. Blockupy versteht sich als europafreundliches „Netzwerk“ linker Parteien, Studierenden- und Jugendverbänden, Flüchtlingsinitiativen und Gewerkschaften, welches die Sparpolitik der EZB während der Finanzkrise ablehnt (Blockupy o.J.). Dabei betrachtete die kapitalismuskritische Organisation Investitionen in die (meist südeuropäischen) Finanzkrisenländer als Mittel gegen die zunehmende Armut in diesen Ländern, welche sie auf die Sparpolitik der EZB zurückführen (Süddeutsche Zeitung 2015).
Die EZB befindet sich auf dem ehemaligen Gebiet der Großmarkthalle (siehe Standort 1 – Folie 3), eines gewerblichen Handelsplatzes für Großverbraucher*innen oder Gastronom*innen. Die Aufgaben der Großmarkthalle übernimmt heute das Frischezentrum in Kalbach-Riedberg.
Die Großmarkthalle 2004 (Kröcher, 2007)
NS Vergangenheit und Erinnerungsstätte
Gedenkstätte
Ab 1941 wurde der Keller der Großmarkthalle als Sammelstätte für 10.000 Juden vor ihrer Deportation genutzt. Daran erinnert heute die Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle, die vom jüdischen Museum Frankfurt betreut wird.
Standort 5 - Paul-Arnsberg-Platz / Gentrification I
Gentrification / Gentrifizierung beschreibt einen Prozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein „Austausch einer statusniedrigen Bevölkerung durch eine statushöhere Bevölkerung“ in einer Gegend stattfindet (Friedrichs 1996: 14). Eng verknüpft damit sind eine Wertsteigerung der Wohneinheiten und bauliche Veränderungen (Mösgen und Schipper 2016: 127-128).
Das Schwinden der statusniedrigeren Bevölkerung geschieht durch zwei Arten der Verdrängung:
- Direkte Verdrängung (z. B. durch Mietsteigerung oder Umwandlung der Wohnungen in Eigentumswohnungen)
- Exkludierende Verdrängung (z. B. in traditionellen Arbeitervierteln ändern sich die Bedingungen und Erhöhen sich die Mieten, sodass der statusniedrigeren Bevölkerung der Wohnzugang zu diesem Viertel verwehrt wird)
Als Indikator für diese Prozesse dienen die Angebotsmieten in dem bestimmten Gebiet oder Viertel (Mösgen und Schipper 2016: 127-128). Das Ostend weist zahlreiche Merkmale einer Gentrifizierung auf, welche sowohl im Stadtbild,als auch im Mietspiegel sichtbar werden.
Gentrifizierung im Ostend?
Das Ostend galt lange als „nicht-gentrifizierbar“. Ab den 1980er Jahren verschlechterte sich die Bausubstanz stetig, da kaum Investitionen getätigt wurden. Dadurch verschlechterten sich auch die Lebensbedingungen. Die Stadt Frankfurt formulierte aufgrunddessen „Handlungsbedarf“, um diese Entwicklungen umzukehren (Stadt Frankfurt 2015). In der Tabelle sind die Merkmale aufgeführt, aufgrund derer das Ostend als nicht-gentrifizierbar galt, sowie die Maßnahmen, die dagegen getroffen wurden.
Geänderte Wohnpolitik
Während die Stadt Frankfurt bis in die 1990er Jahre auf den Bau, bzw. die Aufrechterhaltung von Sozialwohnungen für Bewohner*innen mit niedrigem Einkommen forcierte, änderte sich dies mit dem Abbau der „Milieu-schützenden“ Regelungen. So wurde die Umwandlung zu Eigentumswohnungen nicht mehr verhindert, und die Vergabe von Wohnungsbauplätzen an nicht-gewinnorientierte Investoren minimiert. Dies resultiert in einem (in ganz Frankfurt) gesunkenen Anteil von Sozialwohnungen am gesamten Wohnungsmarkt von 20 % (1990, ca. 70.000 Wohnungen) auf 7 % (2020, ca. 30.000 Wohnungen).
Dazu kommt, dass weniger neue Sozialwohnungen in einem Jahr bebaut werden (2023: 166 Wohnungen 1. Förderweg, 115 Wohnungen 2. Förderweg), als aus der Zweckbindung fallen (2023 sollen 910 Wohnugnen entfallen sein). Tendenziell sinkt die Anzahl der dazukommenden geförderten Wohnungen seit Jahren.
Veränderdung des Paul-Arnsberg-Platz: 1-3 (Lara Wiedmann, 2022), 4-6 (Valentina Tayyar, 2024)
Standort 6 - Honsell- Dreieck / Gentrification II
Harfenpark Quartier und Hafenquatier Ost
Wir blicken hier auf weitere, neu entstandene Wohnungen des gehobenen Sektors. In den 1990er Jahren war hier noch ein reines Einkaufszentrum geplant, 2011 Nutzung durch Büros, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen. Nun ist hier das Hafenpark Quartier ( HPQ ) entstanden. 2020 wurden im Abschnitt "Max & Sophie" ca. 320 Mietswohnungen und eine KiTa fertig gestellt. 2024 wurde der Abschnitt HPQ Living mit 290 Eigentumswohnungen fertiggestellt.
Daneben kam 2023 das Konferenzhotel Scandic hinzu. Weiter geplant sind der "Office Campus" (2026) und das "Waterfront Hotel" (2027).
Hafenpark Quartier 2022 (Wiedmann)
Entlang der Hanauer Landstraße lässt sich außerdem ein Strukturwandel hin zu einer Wirtschafts- und Kreativmeile erkennen. Zahlreiche Clubs sind hier angesiedelt, außerdem sind in ehemalige Produktionsstätten Werbefirmen und Kreative (z. B. Fotograf*innen, Tonstudios) eingezogen. Ein weiteres Ostend-Phänomen das den Strukturwandel demonstriert ist die „Auto-Meile“: Zahlreiche internationale Autohäuser befinden sich nahe beieinander und akquirieren den deutschlandweit höchsten Umsatz in dieser Branche.
Rent Gap Theorie
Profite zu erzielen ist das zentrale Ziel von Immobilieninvestoren. Besonders groß sind die Chancen hierfür, wenn die potentiell umsetzbare Grundrente (d. h. der anvisierte, profitabelste Einsatz eines Grundstücks) besonders stark über der realisierten Grundrente liegt. Diese ergibt sich zu großen Teil aus der eingenommenen Miete (Mösgen und Schipper 2016: 127).
Die „Lücke“ (engl. = „gap“), die zwischen den möglichen und den reellen Einnahmen liegt, wird als Rent Gap bezeichnet. Dementsprechend ist es aus Sicht der Immobilieninvestoren sinnvoll, dort zu investieren, wo potentielle Bewohner*innen hohe Preise zahlen würden. Denn daraus ergäbe sich ein möglichst hoher Gewinn für die Investoren.
An der Entwicklung der Bodenrichtwerte im Ostend lässt sich ablesen, dass die potentiell umsetzbare Grundrente im Ostend seit Mitte 2000 stark angestiegen ist.
Entwicklung des Bodenpreisindexes seit 1984 (Mösgen & Schipper 2016: 128)
Mietpreisentwicklung im Ostend
Mietpreise in den Frankfurter Stadtteilen 2014 und Änderung der Mietpreise von 2009 zu 2014 (Mösgen & Schipper, 2012)
Nicht nur die potentiell umsetzbaren Grundrenten haben sich im Ostend in den letzten 15 Jahren erhöhr. Auch die zu bezahlenden Mieten sind im Mittel zwischen 2009 und 2014 stark angestiegen.
2017 war die Angebotsmiete im Ostend mit über 15 € / m² die dritthöchste Kaltmiete in ganz Frankfurt.
Standort 7 - Ferdinand-Happ-Straße
Wohnungsneubauten
Auf dem ehemaligen Gelände des Ostbahnhofs entstanden im Rahmen des Bauprojekts „Ferdinand“ 6 neue Häuser. Von den 140 Wohnungen sind 100 als Eigentumswohnungen angedacht. Bei einem m²-Preis von durchschnittlich € 5300 kosten die kleinsten Wohnungen (52 m²) € 275.600, und die größten (137 m²) € 726.100. „Little East“, ein weiterer Gebäudekomplex entlang der Ferdinand-Happ-Straße, bietet Mikro-Appartements ausschließlich für Mitarbeiter der Deutschen Bahn an.
Beim Bauprojekt "Oststern" auf dem ehemaligen Gelände von Mercedes-Benz wurde zwischen 2021 und 2023 ein neues Quartier (70% Wohnen, 30% Gewerbe) fertiggestellt. Dabei sind etwa 500 neue Wohnungen entstanden, von denen 64 Sozialwohnungen und 55 Wohnungen für den 2. Förderweg vorgesehen sind (Sozialbindung 30 Jahre). 135 Wohnungen sind Mietsohnugnen und 241 Eigentumswohnungen.
Wandel der Sozialstruktur?
Sozalleistungsbezug in den Frankfurter Stadtteilen 2012 und Änderungen des Sozialleistungsbezugs 2009 zu 2014 (Mösgen & Schipper, 2017)
Die bereits angesprochene Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerung eines Viertels zählt zu den Merkmalen des Prozesses der Gentrifizierung. Zwischen 2009 und 2014 ist der Sozialleistungsbezug in Frankfurt minimalst, von 12,9 % auf 13,0 %, angestiegen (Mösgen und Schipper 2016: 132). Der Anteil der ärmeren, Sozialleistungen beziehenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung des Ostends ist in dieser Zeit allerdings um 1,1 % gesunken (Mösgen und Schipper 2016: 132).
Kombiniert mit den Kenntnissen über die Angebotsmieten lässt sich hier eine mögliche direkte Verdrängung erkennen, die ärmere Menschen zur Wohnungsaufgabe im Ostend bewegt (Mösgen und Schipper 2016: 132). Allerdings ist dieser Trend zu gering, um eine klare Aussage zu treffen, weshalb davon auszugehen ist, dass die Stadt über die Sozialleistungen (individuelle Förderungen) teilweise die gestiegenen Mieten kompensiert, bzw. dass die Sozialleistungsempfänger*innen einen höheren Teil ihrer Einnahmen in die Miete investieren (Mösgen und Schipper 2016: 132).
Die Einnahmen der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bewohner*innen des Ostends lässt eine deutliche Entwicklung hin zu reicheren Einwohnern erkennen: Die Bruttoeinnahmen der Ostendbewohner stiegen um 22,1 %, während sie in Frankfurt insgesamt nur um 17,1 % zunahmen. 2013 liegt das Durchschnittseinkommen mit 3.750 Euro im Ostend über dem Frankfurter Durchschnitt von 3.579 (Mösgen und Schipper 2016:132-133).
2018 lag das Durchschnittseinkommen im Ostend bei 4.342€ und damit über dem Frankfurter Durchschnitt von 3.970€.
Insgesamt weist der Wandel der Sozialstruktur im Ostend in eine Richtung, in der die Verdrängung der sozialleistungsbeziehenden Bevölkerung zunehmen wird, sollten nicht Instrumente gegen ihre Verdrängung implementiert werden. Dies illustriert die Gentirifizierung im Ostend, die nicht nur die Wohnungen und ihre Preise betrifft, sondern notwendigerweise auch die Bewohner*innen, die sich diese Wohnungen noch, oder nicht mehr, leisten können.
Standort 8 - Ostbahnhof und Danziger Platz
Zwischennutzung
Der Ostbahnhof stammt in seiner letzten Form (siehe Bild) aus den 1960er Jahren und sollte seit langem erneuert werden. Ende 2022 / Anfang 2023 begann der Abriss des Gebäudes. Auf der Fläche soll ein neues Hotel mit Platz für Einzelhandel entstehen.
Im Zuge dessen soll auch der Danziger Platz neu gestaltet werden, der möglichst „grün“ als Verbindungsstück im Grüngürtel Frankfurts dienen soll. Außerdem ist hier eine Bahnstation für eine neue S-Bahn Strecke zwischen Frankfurt und Hanau geplant (Baubeginn frühestens Ende 2021).
Ostbahnhof 2022 (Wiedmann)
Von 2020 bis Herbst 2022 wurde der Danzinger Platz von einem Urban Gardening Projekt (" Neuer Frankfurter Garten ") „zwischengenutzt“. Zwischennutzungen können vielfältig ausfallen; gemeinsam werden ihnen Potentiale der Partizipation zugeschrieben, da sie die Teilhabe der Anwohner*innen an einer nachhaltigen Stadtentwicklung fördern.
Das Projekt bleibt bestehen und der Garten wurde um wenige Laufminuten verlegt und am 18.5.2014 neueröffnet.
Der "Neue Frankfurt Garten" Danziger Platz 2022 (Wiedmann)
Der Ostbahnhof und Danziger Platz im Mai 2024:
Ostbahnhof (Valentina Tayyar, 2024)
Danziger Platz (Valentina Tayyar, 2024)
Gentrifizierung im Ostend!
Das Ostend hat sich gewandelt. Während bis in die 1990er Jahre noch das Image des Arbeiterviertels dominierte, in dem einkommensschwache Haushalte beheimatet sind, treibt vor allem eine geänderte Politik der Stadt, die die Aufwertung des Viertels forciert, Gentrifizierungsprozesse an. Mechanismen, welche die Verdrängung der Bevölkerung verhindern sollen, werden außer Kraft gesetzt. Zudem trägt die EZB zu einer symbolischen Aufwertung des Ostends bei.
Heute präsentiert sich das Ostend großflächig gentrifiziert mit einer sich-wandelnden Bevölkerungsstruktur, neuen Eigentumswohnungen und gestiegenen Mietpreisen. Während sich direkte Verdrängung nicht explizit nachweisen lässt, findet exkludierende Verdrängung längst statt, denn einkommensschwachen Haushalten ist der Zugang zum Wohnungsmarkt im Ostend nicht mehr möglich (Mösgen und Schipper 2016: 140).
Podcast
An dieser Stelle wollen wir Sie auf den Podcast "boxCast FFM/Ostend" von dem Künstler*innengruppe red park hinweisen. red park hat sich einen Monat lang mit gesellschaftlichen und städteplanerischen Veränderungen des Frankfurter Ostends auseinander gesetzt.
Zum Auftakt der Podcast-Staffel wurde die erste Folge am 11. August 2024 auf der Sommerwerft (ein Kulturfestival auf dem Gelände der Weseler Werft ) die erste Folge vor Live-Publikum aufgenommen.
Zu Gast war unter anderem die studentische Hilfskraft, Marie Oberndorfer, die über das Thema Gentrifizierung allgemein und auch spezifisch im Ostend, sowie die hier dargestellte Ostened-Führung spricht. Ihre Beiträge sind bei etwa 20 min - 36 min und 50 min - 53 min anzuhören.
boxCast FFM/Ostend #1