Der verflixte Friedhof
vor den Toren · einverleibt · verschwunden
Schneider: Berlin-Plan von 1802
Vor den Toren der Stadt
Einstmals lagen Friedhöfe bzw. Gottesäcker außerhalb der Stadtmauern direkt vor den Toren der Stadt. Dies hatte nicht nur hygienische Gründe, sondern war auch dem begrenztem Platzangebot innerhalb der Stadt geschuldet.
Der Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof vor dem Potsdamer Tor wurde um das Jahr 1740 in einer zu dieser Zeit noch sehr einsamen Gegend angelegt.
Böhm, Berlin-Plan von 1849
Die wahre Totenruhe währte nur etwa 100 Jahre bis zur Eröffnung des ersten Potsdamer Bahnhofs am 22. September 1838. Zu dieser Zeit war Berlin schon über die Stadtmauern hinausgewachsen, die ersten Vorstädte entstanden.
Der kleine Friedhof mit etwa 2000 qm Grundfläche lag jetzt an einem Verkehrknotenpunkt.
Julius Jacob: Potsdamer Bahnhof um 1890
Mittendrin
Der Verkehr nahm im Laufe der Jahre stetig zu. Zwischen 1869 und 1872 wurde der neue Potsdamer Bahnhof erbaut und 1891 um zwei Flügelbahnhöfe erweitert. Pferdefuhrwerke und -straßenbahnen kreuzten am Potsdamer Platz , der gleichnamige U-Bahnhof ging nur wenige Meter vom Friedhof 1902 in Betrieb.
Dreifaltigkeitsfriedhof um 1890, Fotograf unbekannt
Das neue Empfangsgebäude erhob sich anschließend nur noch wenige Meter vom Dreifaltigkeitsfriedhof entfernt und war „so weit vorgeschoben, wie es das Noli me tangere des Kirchhofs“ gestattete. Der Friedhof lag nun auf dem neu angelegten Bahnhofsvorplatz, dessen östliche Hälfte er fast vollständig einnahm. Das hatte unter anderem zur Konsequenz, dass eine Zufahrt zum Bahnhof nicht am Eingangsportal vorbeigeführt, sondern nur im rechten Winkel angelegt werden konnte. Zudem beeinträchtigten die Bäume auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof massiv die Fassadenwirkung des neuen Empfangsgebäudes. (Wiki)
Straube-Plan von 1910
Der Potsdamer Platz mit dem Fernbahnhof, den Vorortlinien, dem U-Bahnhof sowie zahlreichen Straßenbahn- und Omnibuslinien und motorisiertem Individualverkehr war jetzt einer der verkehrsreichsten Plätze Europas. Mit dem Bau des Hauses Vaterland , welches ein Filmtheater und das Café Piccadilly mit 2500 Sitzplätzen im Erdgeschoss beherbergte, begann hier in direkter Nachbarschaft die Epoche der Erlebnisgastronomie.
Luftbild von 1928
Der Friedhof erschien in dem geschäftigen Treiben um den Potsdamer Platz herum nun zunehmend isoliert und deplatziert. Allerdings wurde er erst 1909 geschlossen.
Potsdamer Platz um 1920
Die Königliche Eisenbahndirektion Berlin erwarb das Grundstück anschließend zu dem beachtlichen Preis von 600.000 Mark (ca. 3,60 Mio. €). Im Jahr 1914 schrieb sie einen Architektenwettbewerb zur einheitlichen Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes aus, der den Architekten weiten Freiraum für Gestaltungsvorschläge ließ. Bezeichnenderweise bestand eine maßgebliche Vorgabe allerdings darin, dafür zu sorgen, dass der Blick auf das Empfangsgebäude, insbesondere vom Potsdamer Platz her, in der Zukunft möglichst wenig beeinträchtigt sein sollte. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg kam der Wettbewerb erst 1919 zum Abschluss. Alle prämierten und viele weitere der 78 eingereichten Entwürfe sahen flankierende Vorbauten des Empfangsgebäudes vor, mit denen auch das Friedhofsgelände überbaut worden wäre. (Wiki)
Luftbild von 1925 nach den Umbaumaßnahmen, © Berliner Stadtmuseum
Nichts davon wurde letztlich verwirklicht. Man beschränkte sich 1922 schließlich darauf, die Friedhofsmauer niederzulegen, die Grabstätten einzuebnen und das Friedhofsgelände in eine einfach gestaltete Grünfläche umzuwandeln. Einige wertvolle historische Grabdenkmäler aus Eisenkunstguss wurden zwar gesichert, zu Umbettungen kam es indes nicht. (Wiki)
Die heutige Situation
Potsdamer Bahnhof in aktueller Umgebung © Google Maps 3D
Vom Potsdamer Bahnhof und dem Dreifaltigkeitsfriedhof ist nach Kriegszerstörungen und massiven Umbauten nach der Maueröffnung nichts mehr zu erkennen.
Tor zur "Unterwelt", Wikimedia: © P.M. Tolsdorf
Der nur wenige Meter entfernte Zugang zum S-Bahnhof Potsdamer Platz dient heutzutage als Eintritt in die Unterwelt.
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